KHZG: Welche MUSS-Kriterien stellt die Zukunft an deutsche Krankenhäuser?

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KHZG Welche MUSS-Kriterien stellt die Zukunft an die deutschen Krankenhäuser?

Wir sprachen mit Menschen, die in unterschiedlichen Rollen mit dem Thema Digitalisierung im Krankenhaus zu tun haben. Sie bekleiden in den jeweiligen Häusern zentrale Anlaufstellen für Digitalisierungsprojekte, wie KHZG oder DIGAs. Die Interviews wurden einzeln geführt und hier als „Gespräch“ zusammengeführt. Die Teilnehmer sind Antje Brandner vom Universitätsklinikum Heidelberg und Christian Friedhoff von den Augusta-Kliniken in Bochum.

Im Interview richten Sie den Blick auf die eigene Organisation und wie diese sich verändert hat, um mit den Themen der Zukunft umgehen zu können. Und natürlich auch, wie in den Häusern auf Veränderungen (Change) reagiert und wie Akzeptanz dafür geschaffen wird.

Das Gespräch folgt einzelnen Themenblöcken, die in einer dreiteiligen Artikelserie in unserem _hub veröffentlicht wird:

Teil1: Rollen, Prozesse und Managementkompetenzen

Teil 2: Organisation & Entwicklung

  • Das Krankenhaus als Organisation muss sich entwickeln, um wirksam zu werden! 
  • Nachhaltigkeit der Entwicklung ist keine Frage der Technik − Wir wollen digitalisieren und nicht elektrifizieren! 

Teil 3: Finanzierung – DiGA und DiPA

  • Wie kann die Zukunft der Krankenhäuser finanziert werden? 

Teil1: Rollen, Prozesse und Managementkompetenzen

Digitalisierungsstellen im Krankenhaus wirksam gestalten

Während einige Kliniken bereits in der  POST-CDO-Phase angekommen sind, da bekleiden Sie, Herr Friedhoff, eine der wenigen CDO-Rollen überhaupt in deutschen Krankenhäusern, oder?

Friedhoff: Ich will die Rolle mal so beschreiben: in alles, was irgendwie mit Prozessen und Digitalisierung zu tun hat, mische ich mich ein, weil am Ende wird ja alles digitalisiert und die Digitalisierung geht halt nur über die Prozesse. Früher ging alles über Technik, heute stehen die Prozesse im Vordergrund. Dazu bekommt die IT eine neue Rolle als Enabler. Die IT ist derjenige, der etwas technisch möglich macht, der das Rückgrat der Digitalisierung zur Verfügung stellt. Dafür ist es notwendig, dass die IT klare Arbeitsaufträge erhält und planbar wird. Und dafür soll die IT auch die Anerkennung bekommen. Eine Service-Management-Kultur und entsprechende Abläufe zu etablieren, das ist eine Schwierigkeit und Herausforderung meines Jobs. Darum kümmere ich mich, weil die IT mir zugeordnet ist. Meine Aufgabe ist es auch am Markt zu schauen, was gibt es denn für Lösungen neben dem holistischen KIS? Meine Aufgabe ist es, das KIS der Zukunft zu kreieren.

Hatte Ihre Rolle von Anfang an so Bestand oder gab es da auch ein Learning?

Friedhoff: Am Anfang war mir auch die Medizintechnik noch direkt zugeordnet, was aber nicht optimal funktioniert hat. Das muss man auch mal so klar sagen, dass ich dafür die Zeit nicht hatte, mich adäquat zu kümmern.

Ihre Stelle ist aber unmittelbar unter der Geschäftsführung aufgehängt?

Friedhoff: Ja. So etwas ist natürlich gut von der Geschäftsführung vorzubereiten. Und man muss sich wirklich voll klar darüber sein, was die Ziele sind, die ich mit der Schaffung dieser Stelle erreichen möchte. Eigentlich müsste man im Vorfeld eine genau definierte Stellenbeschreibung machen, das haben aber die wenigstens Krankenhäuser. Jedenfalls muss man bei dieser Position transparent sein: was macht denn dieser neue Mensch, welche Verantwortung hat er denn und für was und über wen? Welche Ressourcen kann der denn nutzen? Das ist extrem wichtig für die Anerkennung, sonst kämpft man da gleich zum Start gegen Menschen, die eigentlich gar nichts gegen einen persönlich haben, die es nur nicht verstehen und dann muss man erst Überzeugungsarbeit leisten − das ist verschwendete Zeit.

Erfahrungsgemäß ist es nicht so wichtig, wie die Rolle heißt, sondern vielmehr, wie sie gelebt wird und wie sie ins Unternehmen integriert ist. Damit sind wir schon mitten in den Themen Change und Organisationsentwicklung; die wir in den nachfolgenden Artikeln dieser Interviewreihe noch beleuchten werden. Aber bevor wir weiter darüber sprechen, möchte ich noch von Frau Brandner hören, welche Stelle Sie bekleidet und was ihre Aufgaben sind. Frau Brandner, gelesen habe ich Programmmanagerin eHealth. Was genau verbirgt sich dahinter?

Brandner: Wir haben irgendwann erkannt, dass uns von der strategischen Ebene in die Projekte der Zwischenbau fehlt und haben uns gefragt, wie wir die Lücke gut besetzen. Das Programm-Management bildet hierfür das Bindeglied zwischen der Gesamt-Strategie des Unternehmens (des Klinikums) und deren Umsetzung in Projekten. Das Programm ist die Ebene, die die Vision eines Handlungsfeldes mitprägt, die strategischen Vorgaben verfeinert und dann die Umsetzung in Projekten initiiert und steuert.  Und die Stelle, die auch schaut: wie schneide ich mein Portfolio, damit es die Ziele erfüllt und den gewünschten Nutzen erbringt.

Wir haben für das Programmmanagement verschiedene Säulen. Meine ist ehealth und beinhaltet Themen rund um die Vernetzung und Kommunikation mit Partnern in der Versorgung und mit Patienten.

Und was fällt da ganz konkret in Ihr Aufgabengebiet?

Brandner: Als Handlungsfelder sind sicherlich die Heidelberger PEPA* als Informationsdrehscheibe mit „außen“ zu nennen mit einer App für Patienten, die verschiedene Funktionalitäten anbietet. Dazu gehören aber auch weitere telemedizinische Themen wie die Teleradiologie und natürlich die Telematikinfrastruktur mit ihren Fachanwendungen.

[Anmerkung der Redaktion: PEPA steht für Persönliche Einrichtungsübergreifende Gesundheits- und Patientenakte.]

Das heißt auch solche Themen wie DIGAs uns DIPAs im stationären Bereich und darauf beruhende Geschäftsmodelle wären ihr Thema?

Brandner: Ja, das wird auch dazukommen.

Es gibt jetzt also eine Anlaufstelle für alle Anliegen zum Thema Digitalisierung?

Brandner: Ja, es gibt eine Anlaufstelle, über die die Themen und Anfragen kanalisiert, bewertet und priorisiert werden.

KHZG – ein positiver Impuls aus der Politik?

Nachdem die Rollen nun geklärt sind, würde ich gern auf das Thema zu sprechen kommen, das die Krankenhäuser, einmal von CORONA abgesehen, wahrscheinlich derzeit am meisten umtreibt. Alle reden vom Krankenhauszukunftsgesetz (KHZG)

Wie stehen Sie, Herr Friedhoff, zum KHZG? Was hat Sie am meisten überrascht?

Friedhoff: Grundlegend denke ich, dass das KHZG erst einmal eine große Chance ist. Die Tücken liegen hier eher im Detail und im Zusammenspiel mit der Telematikinfrastruktur. Damit die vielen digitalen Services vernünftig miteinander interagieren können und somit auch Sinn, Mehrwerte für den Patienten:innen (sind ja schließlich auch eine Zielgruppe des KHZG), als auch für die Krankenhäuser ergeben, benötige ich eine sichere, schnelle, standardisierte, unkomplizierte und verfügbare infrastrukturelle Plattform zum intersektoralen Austausch von Gesundheitsdaten. Nur über eine solche Plattform ist der erforderliche und geforderte Datenaustausch auch möglich. Das könnte aus meiner Sicht auch ein Produkt wie TDHCP von den Siemens Healthineers sein. Vonseiten der gematik wird dieses Thema ja schon 15 Jahre mehr oder weniger erfolgreich bearbeitet.

Der nächste Punkt ergibt sich erst längerfristig. Dabei sind nicht die für die Umsetzung des KHZG nötigen Investitionen das Schwierige, das bekämen die Krankenhäuser wohl hin. Das Schwierige ist der nachhaltige Betrieb und das ist eben ein Makel im Krankenhauszukunftsgesetz. Verstehen Sie mich nicht falsch. Ich befürworte die Digitalisierung und das KHZG, aber es fehlt mir das Verbindliche, Nachhaltige bei dieser Förderung. Es reicht halt nicht, nur mal eben einen Impuls zu setzen und sich dann wieder zurück zu ziehen und die Krankenhäuser wieder allein zu lassen.

Einige Krankenhäuser werden es sich nicht leisten können den Betrieb (vor allem Wartungskosten, Personalkosten) für die Digitalisierung langfristig zu sichern. Da drohen dann Insolvenzen, weil sie die hohen Aufwendungen für die gerade genannten Positionen nicht aus eigenen Mitteln finanzieren können oder aber die Krankenhäuser erst gar nicht das benötigte Personal halten und/oder akquirieren kann. Von daher könnte ich mir vorstellen, dass es eines der nicht genannten Ziele des KHZG ist, den Markt zu bereinigen. Gerade in Ballungsgebieten, wie dem Ruhrgebiet, wo wir eine extrem hohe Leistungsdichte haben, fällt es nicht so sehr auf, wenn Krankenhäuser schließen würden.

Gibt es da Häuser, die Ihrer Meinung nach besonders gefährdet sind?

Friedhoff: Ich denke da an Häuser, die alleine dastehen, ohne Verbund und unter 300 Betten. Die werden, je nachdem welchen digitalen Reifegrad sie aktuell haben, schwer zu kämpfen haben.

Wenn ich an das Uniklinikum Heidelberg denke, dann sehe ich da alles andere, als ein kleines Haus. Frau Brandner, Sie haben in Heidelberg, bereits im Vorfeld eine PEPA eingeführt, um Patienten zu informieren. Ich kann mir vorstellen, dass man mit dem Fördertatbestand 2 nicht so glücklich ist? Überraschung?

Brandner: Teilweise hat es mich überrascht. Es gibt ja innerhalb des Fördertatbestandes 2 zum einen die Anforderung, den Austausch mit der ePA über die TI zu unterstützen, zum anderen die Anforderung, gewisse Angebote und Funktionalitäten über ein Portal abzubilden, die nicht über die TI möglich sind.

Und wie löst man das Dilemma in Heidelberg? PEPA wegwerfen und alles neu machen?

Brandner: Nein, das werden wir nicht. Wir konnten mit der PEPA eine Menge Erfahrung sammeln. Die PEPA wird auch weiterhin ihre Rolle als Informationsdrehscheibe haben: Ein Vorteil der PEPA-Infrastruktur ist beispielsweise, dass sie mit DICOM-Daten umgehen kann, somit sind Use Cases abbildbar, die zurzeit nicht über die TI abbildbar sind. Spannend wird die Kopplung oder auch die Abgrenzung zur TI. Wie erkläre ich den Anwendern und den Patienten, warum es einerseits die ePA und Funktionalitäten über die TI gibt und andererseits eine PEPA bzw. eine Portallösung für bestimmte Dienste? Nicht einfach, aber auch andere stehen vor dieser Herausforderung.

Und wie sieht es mit dem Rest der gesetzlichen Vorgaben aus?

Brandner: Das treibt uns als Klinikum und als IT. Das sind natürlich unheimlich viele Themen, wir sind alleine für die Umsetzung des KHZG auf 26 Projekte gekommen. Diese 26 Projekte müssen wir erst einmal stemmen …

Projektmanagement im Krankenhaus der Zukunft − ein MUSS-Kriterium!

In den bisherigen Antworten klangen bereits die Themen Ressourcenmangel und Projektmanagement-Kompetenz an. Das KHZG mit seinem fixen Scope (MUSS-Kriterien) ist ja für klassisches Projektmanagement prädestiniert. Herr Friedhoff, getreu ihrem Motto: „Nach den Anträgen ist vor den Projekten“ – wie sind Sie im St. Annen Krankenhaus auf die anstehenden Projekte vorbereitet?

Friedhoff: Wir haben tatsächlich eine Projektmanagement-Organisation implementiert. Der Startschuss dafür ist bereits gefallen. Es gibt eine Abteilung für Projekt- und Prozessmanagement. Diese Abteilung stellt dann auch die benötigten Projektmanager. Und das sind dann halt Profis. Dafür haben wir 2 Standardwerke erstellt. Einmal fürs Projektmanagement einmal für das Einzelauftragsmanagement (quasi ein Projektmanagement light). Zwischen diesen beiden Bereichen gibt es eine klare Abgrenzung.  In den Standards sind u. a. die Rollen beschrieben. Wer hat welche Rolle und was macht diese Rolle, welche Verantwortung geht damit einher. Es gibt jetzt einen Projektlenkungskreis der geschäftsführungsnah ist. Dahin wird alles reportet und diese Gruppe entscheidet auch über neue Projekte. Es gibt klare Wege, wie man den PLK erreicht, was man beibringen muss, wer bei den Anträgen hilft, wo sie vorgestellt werden und durch wen sie vorgestellt werden. Dann gibt es da noch eine weitere Arbeitsgruppe, die nennt sich dann Prozesse und Reifegrade. Diese AG beschäftigt sich mehr mit den alltäglichen operativen bestehenden Prozessen, die durch die Digitalisierung dekonstruiert werden müssen.

In Heidelberg wird, denke ich, ganz ähnlich gearbeitet, wenn ich das richtig aus Ihrer vorigen „Rollenbeschreibung“ herleite?

Brandner: Ja, genau. Wir haben vor ein paar Jahren prince2 als Projektmanagement-Methode eingeführt. Wir nutzen sicherlich nicht jedes Detail der Methode, jedoch so viel, dass die Projekte über einen standardisierten Weg vorbereitet und initiiert werden, es ein kontinuierliches Projektreporting gibt und einen ordentlichen Projektabschluss. Das ist mittlerweile für unsere Projekte gut eingeführt.

Und wie sieht es anlässlich des KHZG mit der Frage nach zusätzlichen Ressourcen aus?

Brandner: Wir benötigen definitiv noch Ressourcen zur Umsetzung. Das heißt, wir brauchen einerseits Personal und andererseits auch Dienstleistungen über Firmen. Aber das trifft ja alle … und es trifft zu, was wir vorhin abgesprochen haben: Es gibt nur begrenzt Personal und Anbieter am Markt.

Die Pipeline bei den Zulieferern läuft voll?

Brandner: Davon gehe ich aus.

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Fazit 1. Teil

MUSS-Kriterien: Rollen, Prozesse und Managementkompetenzen

Digitalisierungsstellen im Krankenhaus wirksam gestalten | Akzeptanz und gute Start- und Arbeitsbedingungen für neue Stelle schaffen:  

  • Gute Vorbereitung bei der Einführung von neuen Stellen durch die Geschäftsführung und konkrete Stellenbeschreibung
  • Transparent für alle Mitarbeiter:innen machen: Was sind die Aufgaben- und Verantwortungsbereiche? Wie ist die Zuordnung im Unternehmen, wie ist sie in das Unternehmen integriert? Und welche Ressourcen können von der neuen Stelle genutzt werden?
  • Klarheit über die Unternehmensziele schaffen, die mit der Schaffung dieser Stelle erreichen werden sollen.
  • Lesen Sie auch: „Das Scheitern von Digitalisierungsprojekten hat oft vielfältige Gründe“ In dem Artikel „KHZG: Macht attraktiv. Und auch erfolgreich? Erfolgsfaktoren am Beispiel des Fördertatbestandes Patientenportal aufgezeigt“

Prozesse

  • Frühzeitig berücksichtigen, dass im KHZG „ungeplante“ Arbeit steckt: Prozesse müssen optimiert sein, bevor sie digitalisiert werden können.

Projektmanagement im Krankenhaus der Zukunft | Komplexität der Anforderungen sicher beherrschen, die mit der Digitalisierung von den vielen betroffenen Kernprozessen einhergeht:

  • Einführung eines Projektmanagements / einer Projektmanagement-Organisation / eines Projektlenkungskreises
  • Aufbau von Projektmanagementkompetenz im Unternehmen und sinnhafte Integration in das Unternehmen (PM nicht als Fremdkörper sehen.)
  • Einführung von Projektmanagement-Tools  

Foto: Canva

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