Warum es so wichtig ist, dass Ärzte die Digitalisierung der Gesundheitsversorgung mitgestalten
- Digitalisierung verändert den Arbeitsalltag des Arztes. Eine unaufhaltsame und mit Blick auf das Digitale-Versorgung-Gesetz auch erwartbar umfangreiche und schnelle Entwicklung
- Die Digitalisierung der Gesundheitsversorgung zu ignorieren ist keine Option.
- Der erwartbar größte Mehrwert liegt in der Ergänzung und Integration von Digitalisierung und ärztlichem Handeln.
- Aufgabe der Ärzte, ihrer Verbände und Fachgesellschaften: Sich vernetzen und aktiv an der Qualitätsbewertung und Schaffung von Transparenz im Bereich Digital Health mitwirken
- Bedeutung der Ärzte nimmt zu: als empathische menschliche Ansprechpartner für Patienten und als fachkompetente Mitgestalter des digitalisierten Gesundheitswesens
100 000 Gesundheits-Apps, KI, Big Data, Robotik: Die Digitalisierung des Gesundheitssystems führt zu tiefgreifenden Veränderungen des beruflichen Umfeldes und der Arbeitsprozesse der Ärzte. Wie kann ihre zukünftige Rolle aussehen?
Diese Unsicherheit in der Ärzteschaft war auch auf der Fortbildungsveranstaltung „Digitalisierung und Künstliche Intelligenz in Praxis und Klinik: Wieviel Ärztin/Arzt brauchen wir noch?“ des Ärztlichen Kreisverbandes Regensburg zu spüren. Zu dieser interdisziplinären Fortbildungsveranstaltung hatte der Ärztliche Kreisverbandes Regensburg – mit 3200 Ärztinnen und Ärzten – am 15.01.2020 ins Klinikum Barmherzige Brüder, Regensburg, geladen.
Einfluss der Digitalisierung auf die Gesundheitsversorgung und deren Zukunftsperspektiven
Im Rahmen dieser Auftaktveranstaltung sprach auch Karsten Knöppler, Geschäftsführer fbeta, zum Einfluss der Digitalisierung auf die Gesundheitsversorgung und deren Zukunftsperspektiven. Er wies darauf hin, dass zurzeit eher Verwaltung als Versorgung im Fokus der Digitalisierung steht. Dieses aber werde sich auch aufgrund der neuen Gesetzgebung ändern. Seine Botschaft an die Ärzte: „Bringen Sie ich ein, gestalten Sie mit!“
Eingerahmt wurde sein Vortrag durch Präsentationen des konkreten praktischen Einsatzes von KI und Robotik in der Diagnostik und Therapie. Beeindruckende Beispiele aus der Praxis verdeutlichten das enorme Potenzial. Entsprechend des Veranstaltungstitels schwang aber stets auch die Frage nach der zukünftigen Rolle und Relevanz von Ärzten in diesem Setting mit sowie der Notwendigkeit, die Entwicklung zuzulassen. Zwar wurde die Publikumsfrage „Wird es bald eine Verpflichtung geben, KI zu verwenden?“ noch mit einem raunenden Gelächter begleitet, aber so abwegig ist dieses Szenario gar nicht. Wohin die haftungsrechtlichen Entwicklungen gehen können, hat Dr. Markus Müschenich, BiM, bereits 2018 in einem Interview deutlich gemacht:
„Sich nicht mit der Digitalisierung zu befassen, ist gegen den hippokratischen Eid. Wenn ich das Thema pauschal ablehne, widerspricht das der ärztlichen Aufgabe, für den Patienten die beste Lösung zu suchen. Es wird bald den Tatbestand des Behandlungsfehlers erfüllen, wenn ich eine digitale Anwendung nicht empfehle, die dem Patienten helfen kann.“ (1)
Es kann also keine verantwortungsbewusste Option sein, die Digitalisierung im Gesundheitswesen auszusitzen oder zu ignorieren. Und die wird kommen. Mit den neuen gesetzlichen Rahmenbedingungen, die das Digitale-Versorgung-Gesetz schafft, mehr und schneller denn je.
Die Digitalisierung nimmt Fahrt auf – von der Verwaltung bis zur Versorgung
Sicher ist es so, dass die Digitalisierung im Gesundheitswesen in den letzten Jahren maßgeblich durch einen Hype um Begriffe von Digital Health, Ambient Assisted Living und Künstliche Intelligenz bis hin zu elektronischen Patientenakten und IT-Vernetzung geprägt worden ist – während gleichzeitig nur wenige Themen sich tatsächlich in der produktiven Anwendung finden. „Wir haben IT in der Gesundheit. Aber in der IT geht es kaum um Gesundheit – es geht vor allem um Verwaltung“, resümiert Karsten Knöppler die bisherige Stoßrichtung der Digitalisierung im Gesundheitswesen. Das kann sich mit dem Inkrafttreten des Digitale-Versorgung-Gesetz schon bald grundlegend ändern.
DVG – Spitzenposition für Deutschland bei Rahmenbedingungen für DiGA
In Bezug auf die gesetzlichen Rahmenbedingungen für digitale Innovationen in der Versorgung war Deutschland bislang im internationalen Vergleich abgehängt. Mit der aktuellen Gesetzgebung verändert sich das zu wegweisend innovationsfördernden Rahmenbedingungen mit substantiellen Konsequenzen für alle beteiligten Akteure in der Versorgung.
Dies unterstrich auch Dr. Thomas Huber, Ministerialdirigent, Bayerisches Staatsministerium für Gesundheit und Pflege, Leiter der Abteilung Zukunftsfragen, Innovation, Landesprüfungsamt für Sozialversicherung, der in seinem Grußwort vor allem die allgegenwärtige Aufbruchstimmung hervorhob“ „Die Bürger wollen es – und Spahn schiebt gewaltig an.“
DiGA haben das Potenziale für eine Integrierte Versorgung 4.0 – Chancen für Arzt und Patient
Patienten erheben und dokumentieren – interpretieren sogar ihre gesundheitsbezogenen Daten und konfrontieren den Arzt damit. Das verändert Prozesse, Arbeitsabläufe und die Kommunikation zwischen Arzt und Patient. Dabei haben digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA) das Potenzial, das Gesundheitshandeln des Bürgers mit dem ärztlichen Handeln zu verzahnen. Der mögliche Impact ist enorm – auf die Versorgungsinhalte, die zeitliche Ressource, aber auch auf mögliche zukünftige neue Vergütungsmodelle.
Mit Blick auf die Veröffentlichung des Referentenentwurfs der Rechtsverordnung für das DVG am 20.02.2020 erscheint es realistisch, dass Ende des Jahres die Erstattungsfähigkeit der digitalen Gesundheitsanwendungen nach § 33a SGB V Praxisrealität sein wird. Was aber bedeutet das für die Ärzte in der Praxis?
Erstattungsfähigkeit von DiGA – Was bedeutet das für die Haus- und Fachärzte?
Durch die Gesundheitsapps auf dem Smartphone des Patienten werde die Ärztin/der Arzt bereits heute mit der Frage konfrontiert, inwieweit das Gesundheitshandeln des Patienten integriert und der Behandlungsprozess koordiniert bzw. optimiert werden kann. Mit dem DVG wird sich die Situation schlagartig verändern.
Die Sorgen der Hausärzte brachte ein Zuhörer auch zum Ausdruck: „Was passiert, wenn das im 4. Quartal über uns hereinbricht? Werden wir damit allein gelassen? Hat sich Herr Spahn darüber Gedanken gemacht?“
Sich aktiv vernetzen und für Transparenz sorgen
Hier appellierte Karsten Knöppler an die Ärzte, sich zu vernetzen und aktiv an der Herstellung von Transparenz zu beteiligen – zum Beispiel im Rahmen der Mitarbeit von Ärzteverbänden und Fachgesellschaften bei der Schaffung systematischer Übersichten und der Bewertung von Apps und Digital-Health-Anwendungen.
Rückbesinnung auf den Wert des Arztes als empathischen Mittler
Sicher werden einige der heute von Ärzten durchgeführten Aufgaben u. a. in der Radiologie, Pathologie und Onkologie ersetzt werden, denn schon jetzt zeigen sich Softwarelösungen dem menschlichen Diagnostiker ebenbürtig oder sogar überlegen.
Die Ärztin/der Arzt als menschlicher Ansprechpartner kann und soll aber nicht ersetzt werden, denn der größte Mehrwert ergibt sich in der Ergänzung und Integration von Digitalisierung und ärztlichem Handeln. Die Digitalisierung und Technisierung der Medizin kann in diesem Zusammenhang auch als Chance gesehen werden. Als Chance auf eine Rückbesinnung auf die Bedeutung der empathischen, sprechenden Medizin. Der Arzt als menschlicher Ansprechpartner, der die Informationen und Optionen vermittelt und einordnet, der Berater und Koordinator ist, der einen ganzheitlichen Blick auf den Patienten hat, wird an Bedeutung eher zunehmen.
Pointiert unterstreicht Prof. Dr. Gerd Antes, deutsche Cochrane-Stiftung: „Watson schlägt die besten Schachspieler der Welt. Aber welcher Patient würde zum Schachspieler gehen, wenn er krank ist?“ (2) Ärzte sind viel mehr als nur Datenerheber und in der aktiven Ausgestaltung ihrer Rolle bei der Digitalisierung des Gesundheitswesens liegt für sie die Möglichkeit, ihr Arztsein auch für die Zukunft zu etablieren.
(1) kma-online.de (09.05.2018): Interview: Wie die Digitalisierung unser Gesundheitssystem verändern wird. Online unter: https://www.kma-online.de/aktuelles/it-digital-health/detail/wie-die-digitalisierung-unser-gesundheitssystem-veraendern-wird-a-3
(2) https://www.landdergesundheit.de/digitalisierung/man-tut-so-waeren-maschinen-besser-aerzte-gegenwaertig-sieht-eher-gegenteil Zitat: Geh ich nicht zum Schachspieler
Bildquelle: https://de.freepik.com/fotos-premium/doktor-im-futuristischen-medizinischen-konzept-das-knopf-bedraengt_5502835.htm#page=1&query=health%20digital%20doctor&position=46; Premium Lizenz